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Motorradreisen Neuseeland

Ein Natur-Schauspiel

Höhepunkte Neuseelands: Die Südinsel

Für den Motorrad-Touristen ist Neuseeland ein Traumreiseland

Also irgendwie komme ich mir ziemlich durcheinandergewirbelt vor. Innerhalb von 24 Stunden hat sich die Welt gedreht. Es ist gerade einen Tag und eine Nacht her, dass ich in meiner Wohnung die Heizung angedreht, die Gartenmöbel endgültig in den Keller gestellt und die Winterklamotten ausgepackt habe. Und jetzt stehe ich auf einer Planke auf der Kawarau Gorge Suspension Bridge mit zusammengebundenen Füßen und frage mich, was ich mir eigentlich angetan habe, als es hieß, wir fahren mit dem Motorrad durch Neuseeland. Mein Leben habe ich gerade abhängig gemacht von ein paar coolen Typen in kurzen Hosen und T-Shirt, die versuchen, mich mit allerlei Fragen wie woher, wohin, warum abzulenken. Dazu ertönt chillige Musik aus dem Hintergrund, die mich offensichtlich in Trance versetzen soll, damit ich es mir nicht doch noch anders überlege und mich 40 Meter in die tief in den Kawarau River stürze, nur gesichert von einem aus Hunderten einzelner Fasern zusammengeknoteten Gummiseil. Die Sache mit „unten drunter” hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Bungy Jumping hatte eigentlich dazu gezählt, jene „Sportart”, die ein gewisser AJ Hacket in den 1980er-Jahren populär machte und nahe Queenstown kommerzialisierte. Seitdem haben Millionen Menschen freiwillig ihr Leben einem Gummiseil anvertraut. Aber warum muss ich mir das antun?

Down Under, wie die Lage Neuseelands auf dem Globus beschrieben wird, sozusagen auf der anderen Seite der Welt, ist so ziemlich wirklich alles andersrum. Hier springt man offensichtlich nicht vor Freude in die Höhe, sondern stürzt sich in Schluchten und aus Hubraubern, um Glücksgefühle zu erleben. Sogar das Wasser in der Badewanne läuft in entgegengesetzter Richtung ab. Die Sonne steht im Norden am höchsten und im Süden ist es kälter als im Norden. Dass auf den Straßen Linksverkehr herrscht, hat hingegen mehr mit der britischen Tradition zu tun als mit der geographisch „verkehrten“ Lage des Landes. Nicht verkehrt, sondern absolut richtig ist die These: Für den Motorrad-Touristen ist Neuseeland ein Traumreiseland. Dafür sorgen die höchst abwechslungsreiche Landschaft sowie die herrlich kurvenreichen Straßen, die zudem noch recht verkehrsarm sind – mal abgesehen von den Schafen, die auch schon mal die Fahrbahnen als ihr Revier betrachten. Rund 40 Millionen Exemplare dieser Wollknäuel bevölkern übrigens das Land. Dazu gesellen sich mittlerweile riesige Rinderherden. Das alles geht mir gerade durch den Kopf, während mir meine Sozia aus sicherer Entfernung vom Aussichtspunkt oberhalb des Kawarau River aufmunternd zuwinkt. Für mich gleicht das eher einem Alptraum.

Jede Menge betagte Japaner der 1970er bis 90er-Jahre

Das war es auch für die Menschen rund um Christchurch, die Hauptstadt der Südinsel, als am 22. Februar 2011 um 12.51 Uhr die Erde bebte, die Stadt fast völlig zerstörte und 185 Menschenleben forderte. Wie eine nicht verheilende Narbe erinnert noch immer ein riesiges Loch in der zusammengefallenen Kathedrale, das einstige Wahrzeichen der Stadt, an das schreckliche Ereignis. Erst jetzt wurde beschlossen, die Kirche wiederaufzubauen. Zehn Jahre sind dafür veranschlagt. Auch in der Stadt selbst erinnern große Freiflächen daran, dass der Wiederaufbau noch nicht abgeschlossen ist. Aus der Not haben die Neuseeländer allerdings eine Tugend gemacht und das Erscheinungsbild ihrer Stadt modernisiert. Neben einem neuen Geschäftsviertel und Einkaufsviertel sind trendige Szene-Viertel entstanden. Der „Smash Palace” ist so ein neuer Treff, entstanden aus der Bar „Goodbye Blue Monday”, die ebenfalls vom Erdbeben betroffen war. Johnny Moore, der Besitzer und Sohn des früheren Bürgermeisters von Christchurch Garry Moore, hat einfach einen ausgedienten Bus zur Theke umfunktioniert und ein paar Container übereinandergestapelt, in der sich die Küche und eine Motorrad-Werkstatt befinden. Der Palast ist heute das Töff-Mekka für alle Biker in der Umgebung. Moores Leidenschaft gehört dem Umbau von Honda Monkeys, von denen immer ein paar rumstehen, daneben die Motorräder vorbeischauender Einheimischer, ein paar Harleys und jede Menge betagte Japaner der 1970er bis 90er-Jahre. Die Neuseeländer stehen auf solche Bikes.

Zwischen Queenstown, der Adrenalinhauptstadt Neuseelands – nicht nur wegen Bungee Jumping – und der Westküste liegen Welten. Nur ein paar Kilometer außerhalb sind die hippen Kneipen und das trubelige Leben rund um die Uferpromenade am Lake Wakatipu nur noch eine Randerscheinung. Die Fahrt über die Crown Range mit dem legendären Cadrona Hotel führt über die höchste asphaltierte Straße des Landes. Der Scheitelpunkt liegt zwar nur bei 1.121 Meter, aber um dahin zu gelangen heißt es unzählige Kurven zu meistern. Um reichlich Adrenalin auszuschütten muss man nicht unbedingt von Brücken springen. Jede Menge Glücksgefühle stellen sich auf dem weiteren Weg von Wanaka über den Haast-Pass an die Westküste ein. Die Straße führt windungsreich durch Regenwald, entlang tiefblau leuchtender Gletscherseen und vorbei an der mächtigen Gebirgskette der Neuseeländischen Alpen. Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Das macht es an der regenreichen Westküste leider nicht immer.

Eine Schneeballschlacht auf dem Gletscher gehört zum Pflichtprogramm

Wenn doch, dann gehört ein Hubschrauberflug auf den 3.764 Meter hohen Mount Cook zum Pflichtprogramm – eine Schneeballschlacht auf dem Gletscher selbstverständlich auch. Bester Ausgangspunkt ist die Ortschaft Fox Glacier. Für einen winterflüchtigen Europäer ist so etwas im neuseeländischen Sommer das Abgefahrenste überhaupt. Verkehrte Welt halt. Oder man gibt sich mit dem fantastischen Blick vom Lake Matheson auf die eisigen Berggipfel zufrieden. Der Weg zu dem wegen seiner spiegelnden Wasserfläche vielbesuchten See zweigt von Fox Glacier ab. Wer ihn noch etwas weiter fährt, gelangt auf der schottrigen Gillespie Beach Road nicht nur an den Fox Glacier Lookout und den Strand der Tasman Sea, sondern auch an eine ehemalige Goldgräbersiedlung. Bis zu 1.500 Menschen sollen hier im Jahr 1866 gelebt haben, darunter 600 Minenarbeiter. Vom Goldrausch ist allerdings nur noch der alte Friedhof übrig geblieben mit ein paar Grabsteinen und Eisenkreuzen für die verstorbenen Pioniere. Der Goldrausch ist längst verflogen, hat aber so manche Geisterstadt hinterlassen. Beispielsweise Ross, wo sich heutzutage jeder mal als Goldsucher betätigen kann. Hat man kein Glück gehabt, dann kann man seinen Frust im urigen Historic Empire Hotel hinunterspülen. In dem über hundert Jahre alten Holzgebäude scheint die Zeit still zu stehen. Es riecht sogar nach Geschichte und Geschichten. Ein paar Minenarbeiter – es wird immer noch nach Gold gesucht – drücken sich um die Bar herum und über dem Zugang zur Toilette hängt ein Warnschild: „Maximal mit 250 kg belastbar”.

Meine persönliche Belastungsgrenze erreiche ich auf dem Weg zum Abel Tasman Park zwischen Motueka und Takaka im Norden der Südinsel, wo sich Neuseeland nach Regenwald und Hochgebirge jetzt von seiner tropischen Seite präsentiert mit traumhaften Sandstränden und Wassertemperaturen wie in der Südsee. Die windungsreiche, rund 30 Kilometer lange Aussichtsstraße lässt jedes Bikerherz höher schlagen. Eine Achterbahnfahrt ist dagegen ein Langweiler. Mir wird fast schwindlig. Apropos Schwindel, ich stehe ja immer noch auf der Planke, als mich plötzlich laut heruntergezählte Anweisungen aus meim schönen Traum reißen: „Drei, zwei, eins – Jump.” Ahhhhhhhhhh, hoffentlich überlebe ich und schaffe es noch auf die Nordinsel.