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Motorradreisen Irland

Die grüne Insel

Unberührte Natur und ein leckerer Whiskey

Irland mit dem eigenen Motorrad zu bereisen ist kein einfaches Unterfangen. Die Anreise wird da selbst zur Urlaubstour. Wer sich aber die Mühe macht, wird mit herrlichen Motorradstrecken, unberührter Natur und einem leckeren Whiskey belohnt.

Vier Stunden dauert die Fährüberfahrt von Pembroke nach Rosslare, von einer Insel auf die andere, von Großbritannien in die Republik Irland. Vier Stunden haben wir Zeit, die letzten Tage noch einmal in Erinnerung zu rufen: die Fahrt im Zug durch den Eurotunnel von Calais nach Dover, das Heranrobben auf allen Vieren an den Rand der berühmten Kreidefelsen bei gefühlter Windstärke 12, der Massentourismus an den Hinkelsteinen von Stonehenge, aber auch die mittelalterlichen Dörfer wie z.B. das südenglische Lacock, in dem die Zeit still zu stehen scheint und es deshalb als Kulisse für die Harry-Potter-Filme diente. Noch frisch im Gedächtnis ist die herrliche Fahrt durch den Brecon-Beacon-Nationalpark in Wales, eine einsame Hügellandschaft mit winzigen Sträßchen, die sich kurvenreich durch Moore, Wälder und Weiden ziehen.
 

Warum wollen wir eigentlich noch nach Irland?

Eine erste Antwort bekommen wir bereits bei der Ankunft der Fähre im beschaulichen Hafen von Rosslare. Tickten die Uhren während der Fahrt durch Südengland und Südwales schon deutlich langsamer als bei uns, so scheinen sie sich in Irland nur noch im Schneckentempo zu bewegen. Die Straße entlang der bizarren Küste zwischen Waterford und Youghal gehört uns fast alleine, der Verkehr scheint sich auf die größeren Städte wie Cork zu beschränken. Das Ambiente aus sattgrünen Weiden und dem tiefblau schimmernden Wasser der Irischen See beruhigt dermaßen, dass man gar nicht schnell vorwärts kommen möchte. Was auf den gewundenen Straßen, die der felsigen Küste folgen, auch kaum möglich wäre. Einen kurzen Stopp legen wir in Youghal ein, ein 1000-jähriges Fischerdorf, an dessen Kai „Linhan’s Bar” liegt, deren Attraktion die zahlreichen Fotos und Requisiten aus „Moby Dick” sind, der in Youghal gedreht wurde. Die Küstenlinie passt bestens zur Romanfigur des jähzornigen Captain Ahab, sie erscheint ähnlich unzähmbar zu sein und ständig im Kampf gegen die Natur zu befinden.

Bantry House and Gardens kommt einem dagegen wir der friedlichste Ort auf der Welt vor. Das prunkvolle Landhaus zählt zu den schönsten Prachtbauten im südlichen Irland. Von der Gartenanlage hat man einen fantastischen Blick über die vorgelagerte Bantry Bay. Bei Tee und einem Stück Kuchen aus der Haubäckerei genießt man auf einer der dschungelartig bewachsenen Terrassen fast schon südländisches Flair und fühlt sich wie ein richtiger Earl.  Schwer fällt danach der Aufbruch, aber schließlich wartet eine der reizvollsten Regionen Irlands auf uns, die Halbinsel Iveragh. Vorher aber noch wollen wir die etwas weniger bekannte, und deshalb auch weniger befahrene Küstenstraße des „Ring of Beara” erkunden.

Kurven, Kurven, Kurven

Hier schlägt jedes Motorradfahrerherz höher: Kurven, Kurven, Kurven. Besonders die Fahrt über den Healy Pass, der den südlichen mit dem nördlichen Teil Bearas verbindet, sorgt für erhöhten Pulsschlag und einmalige Rundblicke. Dazu gehört auf dem fast alpinen Weg nach Killarney der Scheitelpunkt Moll’s Gap mit atemberaubender Sicht auf das Tal und die drei von Bergen eingebetteten Seen. Nur ein paar Kilometer weiter folgt der Aussichtspunkt Ladies View, den die britische Königin Victoria so benannte, weil sie so begeistert war, dass sie alle Hofdamen dazu einlud, sich selbst von dem einmaligen Panoramablick zu überzeugen. Man könnte danach meinen, eine Steigerung wäre nicht möglich. Falsch, da gibt es noch Irlands berühmteste Panoramastraße, den Ring of Kerry. Nirgendwo sonst hat die Natur das Land mit einer derartig spektakulären Ansammlung von Klippen, Stränden, Landzungen und anderen Fotomotiven gesegnet wie hier. Und überall ist das vorherrschende Element das Wasser: Das Wasser der Flüsse, welches durch charmante Dörfer wie Sneem fließt, der Atlantische Ozean und seine karibischen Buchten, die bekannten Seen von Killarney im Herzen der MacGillyCuddy Berge und nicht zuletzt auch der Regen, der regelmäßig die Landschaft in eine mystische Stimmung eintaucht.

Die Schönheit der Landschaft hat sich herumgesprochen, der Ring of Kerry ist einer der wenigen Orte in Irland, wo der Tourismus deutlich spürbar ist. Deshalb ein Tipp: früh aufbrechen und die Rundfahrt in Blackwater Bridge beginnen, den Ring also im Uhrzeigersinn befahren. Die Touribusse dürfen die schmale Straße nämlich nur gegen den Uhrzeigersinn befahren. Unser Highlight auf der Ringstraße ist die Fahrt durch das Gap of Dunloe. Die 11 Kilometer lange, sehr enge und überaus kurvenreiche Passstraße zwischen der MacGillyCuddy Bergkette und den Purple Mountains ist auf den meisten Karten als nicht durchgängig befahrbare Straße gekennzeichnet – Gott sei Dank. So wagt sich kein Pkw in die Schlucht, lediglich Pferdekutschen transportieren Wanderer auf die Passhöhe. Die Strecke lässt sich mit Worten kaum beschreiben, man muss es erlebt haben – einfach einzigartig.
 

Wir stellen uns abermals die Frage: Warum sollen wir noch weiter fahren?

Die Antwort gibt der wild-romantische Westen Irlands in Form des Connemara National Park. Die Halbinsel zählt zu den einsamsten Regionen Irlands, die von der felsigen Küste der Galway Bay im Süden begrenzt wird, ein hügeliges Land, das für seine Steinmauern und reetgedeckten Hütten bekannt ist. Der Begriff Verkehr scheint hier ein Fremdwort zu sein. Dafür gibt es sogar Straßen mitten durchs Meer – zumindest bei Ebbe – die die zahllosen Inseln und Halbinseln miteinander verbinden. Schilder weisen den richtigen Weg, damit man nicht doch im Treibsand landet und dann von der Flut überrascht wird. Wie eine Fata Morgana wirkt mitten in dieser Weite der Landschaft das monumentale Benediktiner-Kloster Kylemore Abbey, eingerahmt von prachtvoll blühenden Rhododendren. Früher gehörte die Schlossanlage übrigens einem reichen Geschäftsmann aus Liverpool. Auf Burgen und Schlösser stoßen wir ständig: Park’s Castle am Lough Gill zum Beispiel, Castle Caldwell am Lough Erne und Donegal Castle im gleichnamigen Ort. Irgendwann gleichen sie sich alle. Da sind uns die abseits gelegenen Sträßchen an der Küste entlang viel lieber. Etwa die Fahrt zu den Slieve Leage, mit 601 Meter die höchsten Klippen Europas. Die westlich von Donegal gelegenen Felsen sind wesentlich eindrucksvoller als die meistens in Reiseführern zitierten Cliffs of Moher. Zudem verspricht die enge Küstenstraße dorthin ein richtiges Abenteuer. Selbst wenn nur ein Motorrad entgegenkommt, heißt es hin und her rangieren, um aneinander vorbei zu kommen. Die letzten Meter hinauf zu den Klippen sind nichts für nicht Schwindelfreie. Steil fällt die Küstenlinie über hunderte Meter senkrecht ab ins Meer. Und wenn dann noch der Wind bläst, mag man am liebsten wieder umkehren. Am höchsten Punkt angekommen entschädigt der Blick auf die Klippen dann für alle Mühsal.

Mit Donegal haben wir fast den nördlichsten Teil Irlands erreicht, zur Grenze nach Nordirland ist es nicht mehr weit. Die regelmäßigen Schreckensnachrichten aus den Siebziger und Achtziger Jahren über Bombenterror und Entführungen im Kopf, erwartet man eigentliche eine verbarrikadierte Grenze, die so einladend wie die ehemalige innerdeutsche Demarkationslinie ausfällt. Doch die Zeiten haben sich geändert, der Übergang von der Republik Irland nach Ulster ist durch keinerlei Grenzbefestigung mehr gekennzeichnet und am ehesten noch durch die zahlreichen britischen Flaggen und roten Briefkästen zu erkennen, die das Straßenbild prägen. Denn der Bürgerkrieg zwischen den freiheitsliebenden Iren und den „Besatzern“ Nordirlands aus Großbritannien war immer auch eine Frage des Glaubens – noch heute gibt es beispielsweise Sportvereine, die ausschließlich protestantische oder katholische Mitglieder aufnehmen. Doch glücklicherweise hat sich seit dem Friedensabkommen von 1998 eine Menge geändert im nord­irischen Alltag, vor allem abseits der beiden großen Städte Londonderry und Belfast erinnert praktisch nichts mehr an die düsteren Zeiten Mitte des letzten Jahrhunderts.

Solcherart eingestimmt geht es bis zum Einbruch der Dämmerung weiter ins Küstenstädtchen Portrush. In diesem unter Surfern, Belfaster Wochenendausflüglern und Sommergästen beliebten Strandort ist rund um den Hafen eine lebendige, gleichsam überschaubare Amüsiermeile entstanden, in der sich viele Gelegenheiten zum Tagesabschluss-Bier bieten. Und obwohl die Nächte für mitteleuropäische Verhältnisse eher kühl ausfallen, lässt es sich die Dorfjugend nicht nehmen, von der kleinen Brücke über den Yachthafen immer wieder mit artistischen Einlagen ins frische Wasser zu springen. Weltweit ist Portrush aber weniger wegen seiner langen Sandstrände berühmt, sondern als Austragungsort des wichtigsten Motorradrennens der Insel, der Northwest 200. Jedes Jahr im Mai pilgern Tausende von Motorsportbegeisterten zu diesem spektakulären Dreieck-Straßenrennen zwischen Portrush, Portstewart und Coleraine. Sämtliche Hotels, Pensionen und B&Bs der Region sind schon Monate im Voraus ausgebucht. Iren wie Nordiren sind sich übrigens bei der Begeisterung für diese Art von Rennen einig. Wer auf diesen halsbrecherischen Straßenkursen antritt, wird mit größtem Respekt bedacht, wer hier sogar gewinnt, wird als Held verehrt. Wie Joey Dunlop, mit unzähligen Siegen bei der Northwest, bei der Tourist Trophy auf der Isle of Man und vielen weiteren wichtigen Rennen eine Legende des Straßenrennsports. Diesem untadeligen irischen Sportsmann, ebenfalls Initiator vieler Wohltätigkeitsveranstaltungen, hat das Ulster Transport and Folk Museum in seinem Heimatort Ballymoney sogar eine eigene Sonderschau gewidmet. Im Memorial Park steht Joey Dunlops Denkmal und im Bahnhof nebenan genehmigen wir uns in seiner Kneipe „Joeys Bar” ein Bierchen auf den viel zu früh verstorbenen Rennfahrer.

Giant’s Causeway

Von Portrush führt eine herrliche Küstenstraße ostwärts, die Causeway Coastal Route. Schon nach wenigen Kilometern auf diesem zwischen saftig-grünen Wiesen und der je nach Wetterlage hell- bis dunkelblauen Irischen See eingebetteten Asphaltband kommt man zu einem absoluten Muss für Irlandreisende, dem Giant’s Causeway. Dieses UNESCO-Weltnaturerbe wird von mehr als 38000 sechseckigen Basaltsäulen gebildet, die wie Orgelpfeifen angeordnet sind. Geologisch handelt es sich um erkaltete Lava. Doch diese erst im 17. Jahrhundert entdeckte Felsformation hat ihren Namen von der Legende des Riesen Finn McCool, der aus den Basaltsäulen eine Brücke hinüber nach Schottland baute, um seinem dortigen Widersacher Benandonner das Fell über die Ohren zu ziehen. Zu diesem Naturdenkmal gelangt man nur zu Fuß oder mittels Shuttlebus über einen gut einen Kilometer langen Weg. Dieser Abstecher ist die kleine Unannehmlichkeit allemal wert. Im knapp zwei Meilen entfernten Bushmills steht schon der nächste Stopp an. Das kleine Städtchen beherbergt nämlich die gleichnamige Whiskey-Destillerie, die mit einer offiziellen Lizenz seit 1608 älteste legale Whiskey-Brennerei der Welt. Den obligatorischen Rundgang beschließt eine Verkostung der verschiedenen Whiskey-Sorten. Doch mit dem Zweirad muss eine intensivere Erprobung der hochwertigen Erzeugnisse auf den Abend verschoben werden.

Weiter führt die Causeway Coastal Route in sanften Bögen über schroffe Klippen und durch grünes Weideland, es bieten sich zahllose malerische Ausblicke über das vorgelagerte Rathlin-Island bis hinüber nach Schottland. Kleine Örtchen mit viel Charme wie das denkmalgeschützte Cushendun und Cushendall säumen den Weg und laden zum Verweilen ein. Larne, der Fährhafen nach Schottland ist auch nicht mehr weit.  An die eingangs gestellte Frage, warum wir eigentlich noch Irland ansteuern, verschwenden wir auf der einstündigen Überfahrt jedenfalls keinen Gedanken mehr.   Norbert Meiszies