


Motorradreisen Australien
Great Ocean Road
Down Under
Am anderen Ende der Welt
Wir kommen gerade vom Frühstück. Es gab ausgezeichneten Kaffee, leckere Spiegeleier, Toast, Speck und einen riesigen Blaubeer- Muffin – alles sehr britisch. Allerdings sind wir nicht irgendwo in England, sondern am anderen Ende der Welt im „12 Rocks Cafe” in Port Campbell, Ausgangspunkt für Fahrten über die berühmte Great Ocean Road, neben dem Great Barrier Reef und dem Ayers Rock die vielleicht bekannteste Touristen-Attraktion Australiens. Die Steilküste mit ihren skurrilen Felsformationen gehört zum Pflichtprogramm, wenn man durch Australiens Südosten unterwegs ist. Hinter fast jeder Biegung der Steilküste erwarten uns herrliche Buchten mit goldgelbem Sandstrand und außergewöhnliche Felsformationen. Sie verändern ständig ihre Form, denn Wind und Meer nagen unaufhörlich an dem sehr weichen Kalksandstein.
Im Juni 2009 verlor der Küstenabschnitt eine der bekanntesten Felsformen. Der Island Archway, ein imposant aus dem Meer ragender, mehr als 25 Meter hoher Steinbogen war in sich zusammengebrochen und ins Meer gestürzt. Nun sind nur noch die beiden Pfeiler zu sehen. Auch die berühmten „Zwölf Apostel”, eine wie an der Perlenschnur aufgereihte Formation, besteht nur noch aus sieben Felsen, der Rest löste sich im Laufe der Zeit in der tosenden Brandung einfach auf. Das einzige Mal, dass die Panoramastraße von der Küstenlinie abweicht, ist am Cape Otway, eine Landspitze, an deren Ende der älteste noch funktionierende Leuchtturm Australiens steht.
Great Otway Nationalpark
Das ganze Gebiet zählt zum Great Otway Nationalpark, der durch seine Vielfalt an Landschaften auffällt. So gibt es neben offenen Gras- und Buschflächen in Küstennähe auch ausgedehnte Eukalyptuswälder und weiter landeinwärts dichten, ursprünglichen Regenwald. Die Chance, in der Eukalyptusallee, die die 14 Kilometer lange Stichstraße zum Cape Otway säumt, einen frei lebenden Koala-Bären zu beobachten, stehen hier nicht schlecht. Ansonsten sind die scheuen Beuteltiere schwer auszumachen und meistens nur in einem der vielen Wildparks zu sehen. Für Känguruhs gilt das übrigens nicht, die sind eher eine Plage.
Bis 1994 hat der bereits 1848 erbaute Leuchtturm Schiffen den rechten Weg gewiesen. Dann wurde er in Ruhestand geschickt und dient jetzt als Museum. Leuchtturmwärter John verrichtet aber weiterhin seinen Dienst. Der graubärtige Seebär erzählt den Besuchern gerne etwas über die Geschichte der Anlage und stellt sich stolz für ein Foto in Pose. Dabei erfährt man dann, dass die einzelnen Mauersteine des Leuchtturms alle von Hand behauen und ohne Zement verbunden sind. Die kraftraubende Arbeit mussten damals Strafgefangene erledigen, die größtenteils aus Großbritannien in die „Strafkolonie” Australien verschifft worden waren.
In Torquay endet die Great Ocean Road
Von hier ist es über Geelong oder das hübsche Städtchen Queenscliff nur noch ein Katzensprung bis nach Melbourne. Wir folgen dem Yarra-River flussabwärts, passieren das Melbourne Aquarium und das Polizei-Museum und staunen nicht schlecht, als wir vor dem Telstra Dome stehen, ein riesiges Rugby-Stadion mitten in der Stadt, umgeben von den Docklands, dem alten Hafenviertel. Hier hat man wahrlich reinen Tisch gemacht. Die alten Speicherhäuser wurden abgerissen, und an deren Stelle hochmoderne Wohn- und Geschäftshäuser gestellt. Höhepunkt der Docklands ist „The Southern Star”, ein 120 Meter hohes Riesenrad, das dem „Millenium Wheel” in London nachempfunden. Bei gutem Wetter reicht der Rundblick von dem Riesenrad etwas 40 Kilometer weit.
Noch etwas weiter ist der Weg, den die „Spirit of Tasmania” auf der Überfahrt von Melbourne nach Davenport/Tasmanien zurücklegt. Die Insel besteht zu 45 Prozent aus Nationalparks, die nur schwer zugänglich sind, ein Viertel gehört zum UNESCO-Weltnaturerbe. Warum das so ist, erzählt uns ein Einheimischer in St. Helens. Wir sollten unbedingt der Stichstraße nach Binalong Bay folgen, dort kämen wir an die Bay of Fires. Dann mal los: Warnschilder weisen auf regen Känguruh-Verkehr hin. Einen so weißen und feinen Sandstrand haben wir noch nie gesehen, dazu schimmert das Meer in allen erdenklichen Türkistönen bis hin zum tiefsten Blau. Kugelrunde Felsbrocken mit einer Oberfläche so glatt wie ein Kinderpopo setzen als Kontrast das strahlende Rot des oxidierten, eisenhaltigen Gesteins. Kein Mensch weit und breit. Kein Wunder, das die Bay of Fires von Reiseprofis zum schönsten Flecken auf der Erde gewählt wurde. Wir folgen immer weiter dem Tasman Highway Richtung Süden. Er führt ständig am Meer entlang und gibt zwischen den mächtigen Dünenlandschaften immer wieder die Sicht frei auf unvorstellbar schöne und einsame Sandstrände. Unterbrochen wird diese Bilderbuchlandschaft nur durch wenige kleine Ortschaften, meistens Fischerhäfen, denn die Küste ist berühmt für ihre Hummer, Langusten und Muschel-Kolonien.
Die Fahrt auf der Küstenstraße ist richtig entspannend
Bicheno ist so ein charmanter Ort, bekannt für seine exzellenten Angelmöglichkeiten und Hochseefischerei. Die eigentliche Attraktion aber ist der Rocking Rock, ein 80 Tonnen schwerer Granitblock, der so auf einer Felsplatte positioniert ist, dass der mit den Wellen schaukelt. Dazu gibt’s ein „Blowhole” mit größeren Wasserfontänen. Die Fahrt auf der Küstenstraße ist richtig entspannend, Autos kommen uns nur selten entgegen, so dass man die Seele richtig baumeln lassen kann. Dazu passt auch das Städtchen Richmond, ein verträumtes Nest mit der ältesten Brücke, der ältesten Kirche und dem ältesten Gefängnis von Australien. Mehr als 50 Gebäude – eigentlich alle – stammen aus dem 19. Jahrhundert. Dazu gehört das Richmond Arms, ein wunderschönes Hotel mit Pub, im Kolonial-Stil erbaut, auf dessen Terrasse die Motorradler aus Tasmaniens Hauptstadt Hobart am Wochenende Platz nehmen.
Auf dem Weg von Hobart ganz in den Süden der Insel nach Port Arthur treffen wir auch endlich auf das wohl bekannteste Lebewesen der Insel, den Tasmanischen Teufel. Um das kleine Beuteltier ranken sich allerlei Fabeln und Vorurteile. Das etwa katzengroße Raubtier verdankt seinen teuflischen Namen seinem schwarzen Fell und den großen, bei Erregung rot leuchtenden Ohren. Sein lautes Kreischen ist schon aus großer Entfernung zu hören. Straßenschilder am Straßenrand weisen zwar auf seine Anwesenheit hin, in freier Wildbahn bekommt man ihn dennoch nur selten zu Gesicht. Dazu muss man den etwa zehn Kilometer von Port Arthur gelegenen Tarana Tasmanian Devil Park besuchen, ein kleiner Tierpark, der sich um den Erhalt der Tiere kümmert. Wer im 19. Jahrhundert in das Sträflingslager von Port Arthur deportiert wurde, musste jeden zum Tode verurteilten beineidet haben. Das entlegene Gefängnis galt damals als einer der schrecklichsten Plätze auf Erden. Davon ist heute bei der Besichtigung der beeindruckenden Anlage kaum noch etwas spüren. Die Rasenflächen erinnern an einen Golfplatz, es gibt sogar Picknickplätze. Wie grausig das Leben für die Häftlinge wirklich gewesen sein muss, davon zeugt der Sträflingsfriedhof auf der Isle of the Dead. Die Flucht von Port Arthur war so gut wie unmöglich. Zur Landseite hin war der Fluchtweg sehr schmal und leicht zu bewachen, über das Meer gab es auch kein Entrinnen, das Meer am Cape Pillar gilt als eines der gefährlichsten Gewässer der Welt.
Lyell Highway in Tasmanien
Auf die Frage nach den spektakulärsten Motorradstrecken weltweit werden immer wieder Namen wie der Chapman’s Peak Drive in Südafrika, der Highway Nr. 1 in Kalifornien, der Blue Ridge Highway in Virginia oder die Großglockner Hochalpenstraße in den Alpen genannt. Wir hätten da noch eine Alternative zu bieten: der Lyell Highway in Tasmanien. Die Straße führt etwa 250 Kilometer von Hobart quer durch die Insel durch den Franklin-Gordon Wild Rivers National Park nach Queenstown und dann noch einmal 50 Kilometer weiter nach Strahan wieder ans Meer. Das sind insgesamt 300 Kilometer völlige Einsamkeit und eine unendliche Anzahl von Kurven. Auf dieser Tagesetappe, die uns noch einmal alle Facetten der Insel wie Buschland, Regenwald, kristallklare Bachläufe, romantische Wasserfälle und hochalpines Gebirge bietet, kommt uns den ganzen Tag kein einziges Auto entgegen – und wir selbst haben auch nur drei Fahrzeuge überholt. Hätte es zwischendurch nicht eine Tankstelle mitten in dieser Wildnis gegeben, wir wären zu dem Schluss gekommen, nicht nur am anderen Ende der Welt unterwegs zu sein, sondern diese bereits verlassen zu haben. Tasmanien ist wahrlich ein Traum.