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Olympische Temperaturen und tiefe Schluchten

Die Sonne rutscht langsam hinter die dunstigen Hügel am Horizont. Die Olivenbäume im Tal liegen schon im Schatten, erste Lichter gehen an. Aber der warme Wind umschmeichelt uns, es sind sicher noch 28 Grad oder mehr. Im Rasen sind kleine Strahler versteckt, die das Gartenrestaurant dezent illuminieren. Es ist der erste Abend in Griechenland und wir genießen die Gastfreundschaft in Olympia. Das Essen ist toll, der Wein schmeckt und die Grillen zirpen. Wollen wir nicht gleich hier bleiben? 

Die Frage stelle ich mir am nächsten Tag erneut, als wir von Olympia aus in den Süden des Peloponnes aufbrechen. Normalerweise wären wir einen Monat früher gefahren, aber die im Mai noch fehlende Impfung hatte alles etwas komplizierter gemacht. Jetzt, Ende Juni, reichte das Vorzeigen des Impfzertifikats und der Online-Registrierung im Hafen, um problemlos einreisen zu können. Kurzer, genauer Check der Dokumente und dann: Gute Reise! Der Nachteil des späten Reisetermins: Wir haben eine Hitzewelle getroffen. Nach einem genussvollen griechischen Frühstück wird schon bald nach der Abfahrt klar: Dieser Tag wird heiß!

Es ist brutal, denn schon bald klettert das Bordthermometer der Africa Twin auf über 30 Grad. In immer kürzeren Abständen machen wir Trinkpausen, genug Wasser haben wir dabei. Die Route kürze ich ab, Richtung Kalamata nehmen wir sogar die mautpflichtige Autobahn, weil das Thermometer inzwischen 40 Grad überschritten hat. Über Bordfunk vergleichen wir die Zahlen: Die GS zeigt um die Mittagszeit 45 Grad, die Honda sogar 47 Grad. Und die nahezu leere Autobahn-Raststätte hat die Innenräume gesperrt, das Eis müssen wir draußen essen. Dabei hat die Klimaanlage den Innenraum der Raststätte auf Kühlschrank-Niveau runtergekühlt. Zum Abkühlen bleibt nur die Toilette.
Am Nachmittag erreichen wir das Hotel bei Areopolis, ein Zimmer mit Balkon zum Meer, hier weht eine frische Brise. Es sollte unser heißester Tag bleiben, so hoch kletterte das Thermometer nicht mehr. Wenn schon an Fahrgenuss nicht zu denken ist, dann wenigsten beim Essen: Auf der Terrasse mit Schattenspender im Hang über dem Meer lassen wir den Tag bei einer Flasche Weißwein und viel Wasser dazu ausklingen.

Wir wollen die Mani erkunden, eine Landschaft, deren Geschichte mit blutrünstigen Familienfehden bis weit in das 19. Jahrhundert hinein verbunden ist. Typisch für den "Mittelfinger" des Peloponnes sind die Wehrtürme, die als Wohnhäuser dienten. Und so fahren wir diese große Landzunge nach Süden, machen Abstecher auf der Suche nach Fotospots und landen zur Mittagszeit in Gerolimenas am Hafen. Segeltuch überspannt ein Straßenrestaurant, Zeit für einen Kaffee Frappé. Aber es gibt auch frisch gepresste Fruchtsäfte. Und ein paar Oliven gehen immer. Ach, lass uns doch noch etwas Käse bestellen. Aus dem kurzen Stopp wird eine gemütliche Mittagspause mit Blick auf die Fischerboote in der Bucht und zwei einheimische Damen, die mit Strohhut und Sonnenbrille schwimmen gehen. Sehr elegant!

Die Orientierung fällt uns leicht, denn wir müssen ja nur eine Halbinsel umrunden. Auf den großen Straßen sind die Schilder oft auch in lateinischer Schrift, aber das griechische Alphabet ist – zumindest im Vorbeifahren auf Straßenschildern – auf die Schnelle nicht lesbar. Das erfahren wir am nächsten Tag auf dem Weg nach Nafplio. Bei schönstem Wetter geht es hinauf in die Berge rund um Kosmas. Toller Asphalt, schöne Kurven und nach oben wird es wirklich etwas kühler. In Kosmas steht der kleine Markt voll mit Tischen von Restaurants und Cafés. Das ruft nach einem Stopp mit eisgekühltem Kaffee. Und mir erlaubt es, das ausgiebige Straßenschild mit den Namen der folgenden 14 (!) Dörfer in Ruhe zu studieren. Das wäre nicht nötig gewesen, denn wir folgen einfach der Vorfahrtsstraße, bis wir wieder unten am Meer ankommen. Noch ein Stückchen Küstenstraße und dann ist die lebhafte Kleinstadt Nafplio erreicht.  Das Hotel liegt etwas außerhalb, deshalb nehmen wir uns ein Taxi und suchen uns am Abend ein Restaurant zu Füßen der imposanten Burganlage. Auf eine Burgbesichtigung haben wir keine Lust, zu warm, zu steil – heute mal keine Kultur. 

Die Hitze hat uns noch einmal eingeholt und das an einem der längsten Fahrtage der Tour. 300 Kilometer sind eigentlich nicht viel... aber: Das Thermometer klettert zügig auf 35 Grad und ich habe kleine, einsame und kurvenreiche Straßen rausgesucht, die wir testen wollen. Bis Korinth läuft es etwas langweilig, aber dafür zügig durch eine Ebene. Kurz mal den Bungee-Springern am Kanal von Korinth zugeschaut und dann geht es ab an die Küste. Auf der Karte ist die Straße nur noch weiß und dünn eingezeichnet. Sie erweist sich aber als gut fahrbar und beglückt mit wechselnden Ausblicken auf das Meer aus der Höhe. Wir schauen auf die Bucht von Delphi. Bisher hatten wir immer Glück mit den Pausen, doch heute  kommt einfach nichts. Also gar nichts, wo man einen Kaffee vermuten könnte. Einen Höhenzug später sind wir wieder am Meer, und fahren und fahren und fahren am Wasser entlang. Gefühlte Stunden später kommt endlich ein Dorf und gleich drei Restaurants buhlen um Gäste. Wir entscheiden uns für eine einfache Strandbar mit Schatten und Tischen im Sand. Der Kellner identifiziert uns als Deutsche und übersetzt die Karte. Er spricht gut Deutsch, schließlich hat er lange in Bochum gelebt. Nur unseren Wunsch nach einem Kaffee zum Abschluss kann er nicht erfüllen. "Ich habe keine Kaffeemaschine, aber kein Problem. Was wollt ihr?" Und keine fünf Minuten später kommt ein junger Mann auf einem Roller angeflitzt und bringt uns zwei Kaffee im Pappbecher.  Toller Service.

An den folgenden Tagen arbeiten wir uns über Pelion und Thessaloniki bis auf die Insel Thasos im Osten vor. Thessaloniki ist eine faszinierende Großstadt, aber die Motorräder bleiben stehen. Die GS macht uns noch kurz Kummer: "Fehler in der Motorsteuerung. Gemäßigte Weiterfahrt möglich. Fahren Sie vorsichtig zur nächsten Fachwerkstatt", meldet das Display. Anruf bei BMW: Es gibt keine Fachwerkstatt in der Nähe, also auch nicht in Thessaloniki. "Aber ich frage unseren Techniker." Der Rückruf kommt 20 Minuten später. Auf Bayerisch wird uns erklärt, dass es sich um einen Softwarefehler handelt. Wir mögen den Warnhinweis bitte ignorieren. Fun Fact am Rande: Das nächste Straßenschild weist den Weg nach Drama.

Die hoch gelobte Insel Thasos ist nicht so unseres. Zu viele Touristen, zu viel Rummel. Uns zieht es in die Berge im Norden Griechenlands. Das rustikale Wirtshaus am Kerkini-See ist da schon eher nach unserem Geschmack. Langsam geschmortes Büffelfleisch ist ihre Spezialität und trotz einer griechischen Schulklasse auf Ausflug fühlen wir uns hier sehr wohl. Es geht an der Grenze zu Nordmazedonien entlang nach Westen. Die Thermen von Loutraki nehmen wir wohlwollend zur Kenntnis ohne sie zu besuchen. Und das pittoreske Kastoria, das auf einer Halbinsel im See liegt, nutzen wir für eine Kaffee- und Schattenpause mit See- und Bergblick.

Unser Ziel ist die Ortschaft Metsovo, die uns als kältester Ort Griechenlands angekündigt wurde. Dafür sind wir durchaus dankbar, weil die Temperaturen immer noch hoch sind. Metsovo liegt im Hang und muss von oben über die alte Passstraße angefahren werden. Unser Hotel liegt unten mitten im Ort. Und so geht es in engen Kehren den Berg hinab in das Dorf. Geparkte Lieferwagen, Fußgänger, rechts vor links, steil, kein Wegweiser – worauf soll ich mich als erstes konzentrieren? Wir fahren runter bis zum Markt, dort können wir uns neu orientieren. Und siehe da: Das Hotel ist gleich um die Ecke.

Noch einmal habe ich mich für allerkleinste Straßen entschieden. Ein Fehler? Bei einem Fotostopp haben vier wilde Hütehunde etwas gegen Motorräder. Ich auf der einen Straßenseite mit der Kamera, die Honda auf der anderen Seite, dazwischen ein großer, schlecht gelaunter Hund. Und Birgit kommt für das Foto angefahren. Der Hund hinter ihr her: Das ist für mich die Chance, zum Motorrad zu kommen, doch da tauchen die drei anderen auf. Kamera in den Tankrucksack stopfen, Handschuhe notdürftig dazu, Helm auf die Rübe. Die Hunde kommen näher. Adrenalin Oberkante Unterlippe. Motorrad vorsichtig in Position bringen, dann starten und durchziehen. Geschafft! Zwei Kilometer später halten wir an, die Jacke zumachen, schauen, ob ich in der Hatz nichts verloren habe. Es ist gut gegangen.

In weiten Schwüngen geht es bis auf knapp 1400 Meter Höhe. Die ganz kleinen Straßen sind mit zunehmender Höhe breiter geworden, wir erreichen eine Hochebene, auf der die Straße endet. Noch ein Kilometer holperige Naturstraße, dann folgt der Wendehammer. Wir parken die Motorräder und wandern rund zwanzig Minuten einen gut ausgeschilderten Pfad. Und da ist sie: die Vikos Schlucht, ein rund 600 Meter tiefer Canyon. Was für eine sensationelle Aussicht!

Ralf Schröder